20.6.11

zwischen Passion und Fanatismus

Ella wurde letzten Sommer das Herz gebrochen. Der Mann, in den sie verliebt war, hatte mit ihr nur gespielt und sie hatte mitgemacht, die Realität verdrängt und sich in eine Illusion hineingesteigert. Als er bei der World Extrem Tour mit einer Anderen auftauchte, brach ihre Welt zusammen.
Nach einigen Wochen des stillen Leidens raffte sie sich wieder auf, schüttelte die Scham ab und ging wieder hinaus, fest entschlossen sich selbst und ihm zu beweisen, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Sie wählte für sich den Weg des Kriegers und begann gegen ihre eigenen Schwächen zu kämpfen, trainierte hart und erreichte im Training ein wesentlich besseres Level.

In unserer Crew war Ella immer sehr beliebt. Ihre offene, liebevolle Art und ruhige Stimme schmiegte sich wie Balsam um unsere Seelen. Ellas Bereitschaft Risiken einzugehen um einen guten Move zu schaffen, machte sie zu einer motivierenden Trainingspartnerin, mit der wir gerne unsere Zeit verbrachten. Inzwischen hat sich das geändert. Ella hat sich geändert. Ihr ganzes Selbstbewusstsein ist von ihrer Leistung abhängig geworden. Es ist schwierig mit ihr ein vernünftiges Gespräch zu führen, denn sie steck voll übermütigem Tatendrang und übertriebenen Plänen, dass es uns schwer fällt sie ernst zu nehmen.
Natürlich haben wir auch oft total abgedrehte Plänen und Träume. Natürlich dreht sich bei uns auch alles um unsere sportlichen Aktivitäten und wir lieben es darüber zu reden. Sport ist eines unserer wichtigsten Themen. Aber eben nur eines davon. Neben dem Sport pflegen wir noch andere Hobbys, Bekanntschaften und natürlich die Beziehungen untereinander.
Für Ella aber ist die Leistung wichtiger geworden als alles andere. Sie redet nur noch über den Sport und nicht mehr über sich selbst. Ella fragt auch nicht mehr nach wie es uns geht. Sie erkundigt sich nur noch wann wer welches Training absolviert und ob sie mitmachen kann. Egal ob sie jemanden kennt, gleichgültig wer es ist und wie gut derjenige ist – sie sucht ständig Leute und geht mit ihnen auf Tour.

Von uns macht das keiner, weil es einfach zu gefährlich ist. Wenn ich einem meiner Partner mein Leben anvertraue, und er mir seines, dann muss ich vorher wissen wie es ihm geht. Tiefgehende Gespräche aber auch kurze Einblicke in seinen Alltag ermöglichen es mir, seinen Zustand besser einzuschätzen. Wenn ich weiß, was in ihm vorgeht und was ihn beschäftigt, kann ich gewisse Risiken berücksichtigen oder gegebenenfalls eine andere Tour planen. Weiß ich nicht was in meinem Trainingspartner vorgeht, ist er unberechenbar und wird für mich zu einem Risiko. Zwar würde ich mich als Adrenalinjunkie beschreiben, aber dennoch versuche ich meine Aktivitäten entsprechend meiner Erfahrung und meines Könnens zu planen.

Sport eignet sich hervorragend als Trostpflaster und mit den Erfolgen lässt sich das Selbstwertgefühl wunderbar aufbauen. Aber was ist, wenn Sport zum Versteck wird und die Persönlichkeit im Schatten verschwindet? Sport ist für viele auch eine Sucht. Und wie jede Sucht, kann sie dem Süchtigen schaden, seine Persönlichkeit verändern oder vielleicht sogar zerstören.

Natürlich ist es Ella nicht entgangen, dass wir uns immer mehr von ihr zurück ziehen. Ich würde es ihr erklären, kann sie aber in ihrem derzeitigen Stadium nicht erreichen. Es ist auch schwierig den Unterschied zwischen Leidenschaft und Zwang zu erklären wenn die Grenzen so durchsichtig sind. Welche Argumente hätte ich denn, die nicht schwammig sind und zurechtgeschnitten wirken?

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